Das Literatur-Tandem – Carolina Heberling und Maddalena Fingerle
Wir haben uns beide nach einem langen Gespräch dazu entschieden, die freie Nacherzählung als Form der Übertragung zu wählen, weil wir es sehr reizvoll fanden, die Geschichten auf diese Art näher an uns heranzuziehen. Im Prozess dieses Übersetzens und Fortschreibens standen wir eng miteinander in Kontakt, um sicherzugehen, dass sich die andere im Geist ihres Textes nicht missverstanden oder verraten fühlt. Wir sind mit den Nacherzählungen zufrieden, weil sie uns gezeigt haben, wie unterschiedlich man im Lesen und Schreiben einen Schwerpunkt setzen kann, ohne den Kern einer Idee zu verlieren.
In der italienischen Nacherzählung von „Atmen“ hat sich die Handlung von der Kreativbranche in Deutschland in einen Verlag in Italien und von der Außenwelt der Protagonistin in ihr Innenleben verlagert. Der Text problematisiert dadurch das Stigma der mentalen Krankheit, indem er sie relativiert. Die Liebe zur Sprache und zur Macht der Buchstaben wird in diesem Kontext stark gemacht. Wir haben uns entschieden, dass Tarik, der Freund von (H-)Edda, aufgrund dieser Fokussetzung nicht mehr auftaucht, weil er – im Vergleich zum deutschen Text – eine Nebenrolle gespielt hätte, die Maddalenas Text nicht gebraucht hat.
In der deutschen Nacherzählung von „In principio era il bianco“ wurde aus der schönen altehrwürdigen Kunstakademie eine Hochschule im Betonbrutalismus der 70er Jahre. Der Text hat einige der Fäden, die der italienische Text zart und verdichtet angelegt hat, neu miteinander verwoben und konkretisiert – im Text ist nun klar gesagt, dass der Professor, der seine Macht missbraucht, auch die junge Frau, die für die Klasse als Akt Modell sitzt, unterrichtet. Zudem haben wir uns entschieden, dass der Lehrer in der Art, wie er von Carolina beschrieben wird, nicht mehr an die historische Person Johannes Itten erinnern soll, der in Maddalenas Vorlage ja als Projektionsfläche des Protagonisten fungierte.
Das Literatur-Tandem Carolina Heberling und Maddalena Fingerle