Das Literatur-Tandem – Lara Rüter und Silvia Righi

Lara Rüter

Ich habe mich nach langer Überlegung (und Übersetzungsarbeit) doch dazu entschlossen, „Cercate Raperonzolo“ auf deutsch nachzuerzählen. Dabei habe ich die Szenen und Motive aus dem Originaltext verwendet und neu zusammengesetzt, um den Fokus auf die Arbeit mit der Sprache zu legen. Die Erzählstimme des Mundes ist im Original so stark, dass sie den Text zu großen Teilen tragen muss. Das im Deutschen authentisch rüberzubringen, war mir nur möglich, wenn ich gewisse Freiheiten nutzte. Da es beim Übersetzen überdies einige Verwirrung mit den Personalpronomina der weiblichen Figuren gab, die ich im Deutschen nur ungelenk lösen konnte, habe ich mir erlaubt, den Aufbau zu verändern: der Text beginnt nun mit dem Mittelteil über Maria, um erst im Anschluss zu offenbaren, dass es der Mund ist, der von der Trichophagie erzählt. Erst im letzten Teil fokussiert er auf „sie“, die Figur, zu der er gehört. Silvia und ich haben geskypt und viele Mails getauscht, auch die Nachrichten zwischendurch mit winzigen Verständnisfragen bekamen fix eine Antwort. Wir entdeckten nicht nur Katzen als unsere Gemeinsamkeit, sondern auch Lyrik, über die wir viel sprachen und uns austauschten. An Silvias Schreiben mag ich, wie sie durch die ungewöhnliche sprachliche Perspektive einen überraschenden Zugang zu der Krankheit schafft. Sie scheint mal auf ein Detail zu zoomen und dann wieder einen größeren Zusammenhang zu zeichnen, stellt dar, womit sich junge Frauen im Alltag konfrontiert sehen, wenn sie sich über Socialmedia vernetzen, vergleichen und verurteilen. Was Eitelkeit und Selbsthass für widersprüchliche Gefühle auslösen können, in einer Welt, in der nach außen hin alles okay ist. Dabei ist es wunderbar, dass Silvia sich nicht scheut, unsympathische Figuren zu kreieren, und dass sie nicht zimperlich ist, sie agieren zu lassen. Damit baut sie eine Bühne, auf der getrampelt, gefressen und geschrien wird, im Ende aber nicht verurteilt. 

Lara Rüter

Silvia Righi

Als ich den Titel von Laras Geschichte las – Oh, just remember, remember, remember – war mir klar, dass ich mich im Einklang mit ihren Worten fühlen würde. Und so war es. Ihre Erzählung ist geprägt von Besinnung und dem Schreiben, den Gedichten (über die wir per Skype ausführlich gesprochen haben), und so erlangt ihre Sprache eine traumhafte Dichte. Das war dann auch der schwierigste Teil der Übersetzung: ​​die verschiedenen Spannungen, die sich durch die Geschichte ziehen, auf Italienisch wiedergeben zu können. Die lineare Struktur der Erzählung wurde aufgebaut durch eine Methode des Zusammenstellens von einzelnen Fragmenten, die sich auf das Thema Abtreibung beziehen. Daher war es nicht notwendig, die Struktur umzuwerfen, aber im Verlauf der Erzählung geht die Stimme, die in einem Monolog (fast theatralisch) wieder gegeben wird, über von der Zärtlichkeit bis zur kalten Beschreibung der bürokratischen Verfahren, des Drogenkonsums, der körperlichen Erfahrung der Abtreibung, um zu einer sehr interessanten Parallele zur Welt der Primaten und der Natur im Allgemeinen zu gelangen. In dieser Sprache existieren Träume und Gewalt gleichzeitig und die Übersetzung dieses Grenzzustands hatte für mich Priorität. Deshalb habe ich manchmal auf eine lehrbuchhafte Übersetzung verzichtet, um das Konzept der Erzählung in seiner Tiefe wiederzugeben. Lara gelang es – ohne zu einem Klischee zu verflachen und ohne zum Melodram zu werden – über eine Erfahrung zu sprechen, die Frauen kennen oder wenn sie nicht kennen doch erahnen. Sie hat alle ihr zur Verfügung stehenden Medien verwendet: die Fernsehserien, die statistischen Daten, die Geschichte, den direkten und indirekten Dialog, die Parallele zur Tierwelt. Diese Geschichte ist ein Prisma und sollte als solches in ihrer Komplexität gelesen und geschätzt werden. Die Zusammenarbeit mit Lara war eine wundervolle Erfahrung, getragen von einer offenen Kommunikation und dem gegenseitigen Einfühlungsvermögen in unserer Erzählungen.

Silvia Righi