Das Literatur-TANDEM-letterario 2025 ist ein Stipendium für junge Schriftsteller und Schriftstellerinnen aus Italien und Deutschland. Die AutorInnen haben eine Kurzgeschichte in ihrer Landessprache eingereicht. In einem deutsch/italienischen Tandem haben Sie die Kurzgeschichte des fremdsprachigen Partners in die eigene Landessprache übertragen.
Eines der sechs Tandems im Jahr 2025 sind Toi Tautorus mit seiner Erzählung Ewigkeitslasten und Martina Alberici mit ihrer Erzählung Le piccole disgrazie. In seinem Kommentar zur Übersetzung des Textes Le piccole disgrazie hat Toi Tautorus geschrieben:
Martina Alberici ist in den großen Themen, die sie verhandelt eine Erzählerin des Details. Das ist eine große Stärke des Textes und auch eine der Herausforderungen in der Übersetzung. Die Konkretion und die lokale Verortung des Textes sorgten dafür, dass in einem Gespräch, dass wir nach ersten groben Übersetzungsversuchen Fragen zentral wurden wie: Wie sehen die Pförtnerwohnungen in Turiner Palazzi aus? Was für ein Ausschlag sind die Fuochi di Sant’Antonio und wie behandelt man diese spirituell? Und: Was genau ist der Bre und spielt man da wirklich Bingo?, da ich Spielbuden hier eher mit Sportwetten oder Automaten in Verbindung gebracht habe.
Toi Tautorus
Hier der ganze Kommentar von Toi Tautorus:
Der Erzählkosmos den Martina Alberici in Le piccole disgrazie zeichnet, mutet zunächst einmal recht eng an. Er beschränkt sich auf einige hundert Meter der engen Einbahnstraße Via Piffetti, die der Ich-Erzähler Orazio von seinem Dach aus beobachtet und auf wenige Stunden nach Einbruch des Abends im Leben der Hauptfiguren, zweier Männer in ihren Fünfzigern. Beim Lesen wird jedoch schnell deutlich, dass diese Enge so gut gefüllt ist, dass man sich als Leser:in nicht mehr wünschen könnte. Nicht nur verfügt Orazio über eine derartig detailreiche Beobachtungsgabe, dass er uns auf diesen wenigen Metern Straße von unterschiedlichsten Passant:innen, menschlicher und tierischer Natur zu berichten weiß. Auch zwischen den zwei Männern brechen sich in der kurzen Erzählung die verdrängten Sorgen mehrerer Jahre Bahn, wenn wir lernen, was für ein (gar nicht so) kleines Unglück die beiden miteinander verbindet und dass Orazios Beobachten vielleicht kein Voyeurismus, sondern eher eine Überlebensstrategie ist. Martina Alberici schafft es so eindrucksvoll über Trauer und Verdrängung sowie über Verletzbarkeit und das Alter zu schreiben.
Martina Alberici ist in den großen Themen, die sie verhandelt eine Erzählerin des Details. Das ist eine große Stärke des Textes und auch eine der Herausforderungen in der Übersetzung. Die Konkretion und die lokale Verortung des Textes sorgten dafür, dass in einem Gespräch, dass wir nach ersten groben Übersetzungsversuchen Fragen zentral wurden wie: Wie sehen die Pförtnerwohnungen in Turiner Palazzi aus? Was für ein Ausschlag sind die Fuochi di Sant’Antonio und wie behandelt man diese spirituell? Und: Was genau ist der Bre und spielt man da wirklich Bingo?, da ich Spielbuden hier eher mit Sportwetten oder Automaten in Verbindung gebracht habe.
Das Übersetzen von Le piccole disgrazie war eine spannende Erfahrung, da es mir die Möglichkeit gab, unfassbar nah an die Erzählstrategien einer anderen Autorin heranzukommen und intime Verbindungen mit Themen und Figuren einzugehen, die in meinem eigenen Schreiben vielleicht weniger vorkommen. So entsteht jenseits der privaten Gespräche um das Übersetzen herum, allein auf der Textebene ein wirklich bereichernder Austausch.