Literatur-TANDEM-letterario 2024
Kommentar von Tim Fey

Das Literatur-TANDEM-letterario 2024 ist ein Stipendium für junge Schriftsteller und Schriftstellerinnen aus Italien und Deutschland. Die AutorInnen haben eine Kurzgeschichte in ihrer Landessprache eingereicht. In einem deutsch/italienischen Tandem haben Sie die Kurzgeschichte des fremdsprachigen Partners in die eigene Landessprache übertragen.

Eines der sechs Tandems im Jahr 2024 sind Tim Fey mit seiner Erzählung Photomatonund Filippo Ferraresi mit seiner Erzählung I veggenti. In seinem Kommentar zur Übersetzung des Textes I vegenti hat Tim Fey geschrieben:

Denn wie übersetzt man einen Text, dessen Sprache man nicht fähig ist? Einfach rein ins neuronale Netz und dann…ist eigentlich alles schon fertig? Mitnichten. …
Und so wurden die Texte von Italienisch oder Deutsch erstmal auf Englisch übersetzt, um sich dann darüber auszutauschen, in mehreren Videoanrufen. …
Und hinzu auch ganz allgemeine sprachliche Feinheiten: Sind da absichtlich so viele Subjekte, oder kann man die im Verb verstecken? Die Antwort: Man kann, im Italienischen und im Deutschen. Schwierigkeiten gab es aber auch: Wie übersetzt man Sprichwörter oder Intentionen? ….
Belohnend steht am Ende dann ein Text, der einem eine Annäherung erlaubt. Eine Annäherung an die Schönheit des anderen Textes, ….

Tim Fey

Hier der ganze Kommentar von Tim Fey:

AI ist in aller Munde, spätestens seit ChatGPT. Man verfeuere genug Watt Rechenpower und erhalte eine Funktion, die sich je nach Anzahl der Neurone bis ins Kleinste angepasst hat. Und auch sie kam bei diesem Projekt zum Zug. Denn wie übersetzt man einen Text, dessen Sprache man nicht fähig ist? Einfach rein ins neuronale Netz und dann…ist eigentlich alles schon fertig? Mitnichten. Das soll jetzt kein Abgesang auf AI werden, doch es ist bei allem Nutzen und aller Faszination immer auch noch ein kleiner Trost, wenn man als Mensch nicht vollkommen nutzlos ist. Und so wurden die Texte von Italienisch oder Deutsch erstmal auf Englisch übersetzt, um sich dann darüber auszutauschen, in mehreren Videoanrufen. In denen man sich auch persönlich kennen lernte, über persönliche Dinge sprach. Zunehmend dann aber mehr über den Text, allein schon aus Zeitnot, und das nicht, weil die Treffen kurz waren. Sondern weil immer wieder Fragen auftauchten. Wie übersetzt man „Roman Quarter“? Gelegenheit für einen Exkurs nach Turin, denn es handelt sich nicht um einen besonderen Begriff hinsichtlich allgemein verwendeter Sprache, sondern um ein Viertel dort. Und hinzu auch ganz allgemeine sprachliche Feinheiten: Sind da absichtlich so viele Subjekte, oder kann man die im Verb verstecken? Die Antwort: Man kann, im Italienischen und im Deutschen. Schwierigkeiten gab es aber auch: Wie übersetzt man Sprichwörter oder Intentionen? Zum Glück gab es große übersetzerische Freiheit, und so konnten ein paar Wörter mehr verwendet werden.

Belohnend steht am Ende dann ein Text, der einem eine Annäherung erlaubt. Eine Annäherung an die Schönheit des anderen Textes, der sich einem mehr erschließt als in der englischen Übersetzung und selbstverständlich mehr als im Italienischen, wenn man nicht einmal über einfache Grundkenntnisse verfügt. Ein bisschen Wehmut bleibt allerdings, denn wie ist es denn in der anderen Sprache? Der Klang, die Wortassoziationen? Im Dialog bekommt man eine Ahnung, aber das vollständige Bild bleibt unerschlossen. Ein schlechtes Ende also? Immer. Die einzige Option: Miteinander im Gespräch bleiben, nie aufhören zu fragen. Und am Ende auch: Unvollständigkeit aushalten. Eine Abkürzung gibt es nicht.

Tim Fey